DVT für Kieferorthopädie

Notwendig oder entbehrlich - Teil 1 - Veröffetlichung KFO-Intern: Prof. Dr. Gerhard Polzar (KKU), Dipl.-Inform. Frank Hornung, Max Herberg

Digitale Volumentomographie, nur ein netter, teurer Zeitvertreib oder doch zwingend erforderlich für eine moderne, umsichtige Kieferorthopädie.

Anhand dreier Beispiele, die während der letzten drei Wochen in meiner Praxis auftraten, möchte ich Ihnen zeigen, wo der Platz der DVT in der Kieferorthopädie steht und wie (un-)entbehrlich dieses bildgebende Verfahren für den Kieferorthopäden ist, um den Patienten in vollem Umfang gerecht zu werden und verantwortungsvoll gegenüber zu stehen.

Wo liegt der Eckzahn nun wirklich? Projektionen und die Wirklichkeit.

Die Panoramaschichtaufnahme oder das Orthopanthomogramm (OPT) haben in der Kieferorthopädie einen zentralen Stellenwert in der Erstbefundung sowie in der Kontrolle des Verlaufes einer bestehenden aktiven Behandlung. Für die Nachkontrolle und Langzeitüberwachung ist es bisweilen erforderlich, z.B. zur Bestimmung, ob eine Germektomie verlagerter Weisheitszahnkeime notwendig ist.

Der 13,2 Jahre alte Patient kam mit dem Befund einer beidseitigen Nichtanlage der seitlichen Schneidezähne in unsere Praxis. Anhand des OPT im Anfangsbefund stellt sich der retinierte Zahn 23 mit einem Verlagerungsgrad von exakt 45° zur Okklusionsebene dar (Abb. 1). Ab diesem Ausmaß der Verlagerung sprecheneinige Kieferorthopäden sogar die Indikation zur Extraktion aus. Da hier jedoch schon zwei obere Frontzähne fehlen, wäre dies sicherlich nicht sehr vorteilhaft.

Zwei Jahre später nach erfolgreicher FKO-Behandlung zur Korrektur der skelettalen Kl.II und des Tiefbisses erscheint der Zahn 23 nun mit 57,5° Achsneigung zur Okklusionsebenen (Abb. 2). Es bildet sich ein sichtbar besserer Befund mit besserer Prognose ab.

Kurze Zeit später, vor Beginn der Behandlung mit Multibracketapparaturen, hat sich das Bild auf einmal deutlich verschlechtert. Nun ist der verlagerte Zahn 23 mit 46° Achsneigung abgebildet (Abb. 3). Ein Wert über 45° und dann noch mit scheinbarer Verschlechterung lässt die Prognose für eine Einordnung dieses Zahnes deutlich ungünstiger darstellen.

Zur endgültigen Abklärung ist nun die Anfertigung einer digitalen Volumentomographie (DVT) erforderlich. In der lateralen Ansicht ergibt sich nur noch eine Verschiebung der Achsneigung von 20° zur Oberkieferfront und ca. 30° zum benachbarten Prämolaren (Abb. 4).

DVT OPT

Abb.1 OPT-Patient mit Nichtanlagen 12,22 und verlagerten Zähnen 13,23 zu Behandlungsbeginn. Alle Aufnahmen werden im Mund geschlossener okklusaler Relation angefertigt und dienen somit der Dokumentation der sagittalen Molarenrelation.

Ausschnitt aus OPT

Abb.2 Orthopanthomogramm des Patienten nach FKO-Behandlung zur Einstellung des skelettalen Rückbisses. Der seitlich offene Biss erscheint als Re-sultat der erfolgreichen Vorverlagerung. Die vertikale Projektion bildet einen flacheren Verlagerungswinkel ab.

Orthopanthomogramm

Abb.3 Orthopanthomogramm direkt vor der weiteren Behandlung mit Multibracket-Apparaturen. Die flachere Strahlenprojektion lässt den Zahn 23 deutlich steiler verlagert erscheinen.

Auch die Ansicht von palatinal erhärtet die neuen Erkenntnisse, dass der Eckzahn einen viel geringeren Verlagerungsgrad zeigt und ebenso für die chirurgische Freilegung sehr gut zugänglich ist (Abb. 5).

Diese dreidimensionale Darstellung gibt dem Behandler ein viel besseres und realistischeres Bild für die weiteren Behandlungsoptionen und gewährleistet eine präzisere, patientenschonendere Therapie. Deshalb sind nach heutiger Sicht 3D-DVT-Aufnahmen zum Einschätzen des Verlagerungsgrades ein typisches Indikationsbild gewissenhafter moderner Kieferorthopädie. Doch wie lässt sich nun die unterschiedliche Darstellung des Verlagerungsgrades in den drei Panoramaschichtaufnahmen erklären? Bei genauerer Betrachtung fällt dann auf, dass diese Aufnahmen jeweils mit einer anderen Neigung des Kopfes im Röntgengerät angefertigt wurden.

Je weiter der Kopf nach vorne zum Brustbein geneigt ist, desto steiler fällt die Okklusionsebene nach vorne und desto geringer erscheint der Verlagerungsgrad. Der Kieferwinkel fällt dann auf beiden Seiten vertikal zur Mitte hin nach unten (Abb. 2). Je weiter der Kopf nach hintenoben überstreckt wird, desto flacher wird der Kieferwinkel abgebildet. Auch die Okklusionsebene beschreibt dann einen flacheren Schwung (Sweep). Der Röntgenstrahl durchleuchtet nun den verlagerten Eckzahn aus kaudaler Richtung. Die dann abgebildete Projektion stellt dabei den verlagerten Zahn mit einem viel steileren Neigungswinkel dar. Das heißt, will man eine erste Einschätzung verlagerter Zähne anhand eines OPT vornehmen, so ist das Einbeziehen des Projektionswinkels unerlässlich. Besser und damit unverfänglich ist die Anfertigung einer 3D-DVT-Aufnahme. Nur hiermit ist eine korrekte Einschätzung der Lagebeziehung der Zähne zueinander und auch der Ausschluss möglicher zusätzlicher Hindernisse möglich.

DVT 3D-Ansicht

Abb.4 DVT in sagittaler 3D-Ansicht. Der reale Verlagerungsgrad wird abgebildet und zeigt sich deutlich geringer als im OPT dargestellt.

DVT in transversaler Ebene

Abb.5 DVT in transversaler Ebene mit realer Lagebeziehung des verlagerten Zahnes 23, welche hier als prognostisch günstig zu bewerten ist.