Über 26 Jahre Aligner-Therapie

Grenzen auszuloten heißt oftmals, sehr mutig zu sein und neue Wege zu beschreiten. Der Autor hatte schon vor 26 Jahren mit der Aligner-Therapie begonnen, lange bevor die Firma ALG ihr gelungenes Produkt Invisalign auf den Markt brachte. Damals versuchte ich mit selbst aufgestellten Gips-Set-Ups Oberkiefer-Diastemas zu schließen. Ich war erfolgreich! Aber mein Therapiespektrum beschränkte sich auf diese, scheinbar einfacheren Fälle. Es war die Zeit der großen Experimente in der Kieferorthopädie. Prof. Hinz entwickelte mit ElastoKFO ein System, dass über angeklebte Knöpfe, ähnlich den heutigen Attachements, ganze Zahnreihen auszurichten versuchte. Die ersten kommerziellen Brackets für die Lingualtechnik (Philippe-System) kamen auf den Markt. Sie waren sehr einfach gestaltet, die Lingualbögen wurden über zu verbiegende Häkchen arretiert. Dies ließ maximal zwei Bogenwechsel zu, bis dann die Häkchen abbrachen und das Entfernen der Basis sich als ein mühsames Unterfangen erwies. Burston stellte biomechanische Konzepte auf, die keiner so richtig zu verstehen vermochte, aber auch keiner wirklich zugab, dass dem so war. Es waren eben doch noch alles statisch unbestimmte Systeme, ganz im Gegensatz zudem, was dann folgen sollte. Zur Jahrtausendwende kam der große Durchbruch. Mit Hilfe der CAD/CAM-Techniken, sogenannten ClinChecks, wurden präzise Zahnbewegungen mit tiefgezogenen Schienen von der Firma ALG vorgestellt. Die kieferorthopädische Welt stand auf dem Kopf, keiner traute diesen Alignern komplexere kieferorthopädische Korrekturen zu. Der Gegenwind der Fachgesellschaften war international sehr groß. Es wurden Behandlungsgrenzen und Kontraindikationen ausgesprochen, ohne sich mit der Materie richtig befasst zu haben. So galten z. B. kieferorthopädisch- kieferchirurgische komplexe Behandlungen, wie sie seit 2002 bis heute in meiner Praxis durchgeführt werden, bis zum Jahre 2012 international als geächtet. Die Fachgesellschaften sprachen von einer „Kontraindikation“. "Nur Mutige und Verrückte bringen die Welt nach vorne" - sagte Peter Watzlaw gerne - schaffen Innovationen und ermöglichen neue Horizonte. In diesem Sinne möchte ich Ihnen einen meiner schwierigsten und mutigsten Fälle präsentieren und zeigen, dass die Grenzen der Alignertherapie viel weiter weg sind, als es in Neue Grenzen der Aligner-Therapie unserem Verständnis verankert zu sein scheint. Heute bewältige ich bis auf Ausnahmen die schwierigsten Fälle mit einer Alignertechnik viel besser, als mit festsitzenden Behandlungsmitteln.

Behandlungsbeginn der Alignertherapie

Zum Fall: Im Jahr 2017 klingelte es in meiner kleinen kieferorthopädischen Praxis in Frankfurt, in der ich ausschließlich Alignertechniken angeboten hatte. Eine kleine pummelige siebenundzwanzigjährige Person stand in der Tür und bat um einen Termin. Es war kaum zu übersehen. Sie hatte eine gravierende Zahn- und Kieferfehlstellung mit progener Verzahnung. Ich bat sie, in meiner Hauptpraxis einen Termin zu vereinbaren. (Abb. 1,2)

Aligner Therapie Beginn

Abb. 1 Patientin vor Behandlungsbeginn mit lächeln. Sie stört sich nur an den schiefen oberen Forntzähnen und dass diese hinter den unteren Zähnen stehen.

Aligner Therapie Profil

Abb. 2 Profil zu Behandlungsbeginn. Das Kinn wirkt sehr weit nach anterior positioniert.

Dort war die Überraschung sehr groß, als sich neben den schon ohnehin ausgeprägten kieferorthopädischen Befunden, wie frontaler Kreuzbiss, 5-7 mm Kl III Molarenbeziehung und Engstand in der Front (Abb.3,4), herausstellte, dass die Zahnwurzeln in der OK-Front gerade mal die halbe Länge der Zahnkronen überschritten hatten (Abb. 5,6). Dies ist ein typischer und häufiger Befund in der Anatomie asiatischer Patienten. Sie haben, wie bei der aus China kommenden Patientin ein flaches Gesicht mit spärlicher Entwicklung der Maxilla und ganz häufig in Form und Größe reduzierte obere Frontzahnwurzeln. Die mittleren oberen Frontzähne haben eine Kronenlänge von über 10 mm und eine Wurzellänge von nur 5 und 7 mm.

Intraoral rechts vor Therapie

Abb. 3 Intraoral rechts vor Therapie

Intraoral links vor Therapie

Abb. 4 Intraoral links vor Therapie mit frontalem und lateralen Kreuzbiss

Alveolarknochen

Abb. 5 Vor Behanlungsbeginn mit nur 5 mm Alveolarknochen bei verkürzter Wurzel, Zahn 11

Alveolarknochen eingebettet

Abb. 6 Vor Therapiebeginn, der Zahn 21ist nur 6 mm im Alveolarknochen eingebettet

Grundlegende Diagnostik zur Aligner-Therapieplanung

Bei einer progenen Verzahnung mit über ¾ PB Kl III Okklusion (re u. li >6mm) im Molarenbereich und des ausgeprägten frontalen Kreuzbisses und seitlichem Kreuzbiss der Zähne 15, 23 und 26 mit schwach ausgebildeter retrognather Maxilla, ist eine kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapieplanung die naheliegende Behandlungsoption. Die Patientin hatte jedoch große Bedenken vor einem solch invasiven Eingriff und fragte nach alternativen Möglichkeiten.

Entscheidend für die richtige Therapiefindung und die eventuelle Möglichkeit eines konservativen nur orthodontischen Vorgehens war folgende Überlegung: Sollte es der Patientin möglich sein, ihren Unterkiefer soweit zurück zu schieben, dass sie dann mit den Frontzähnen in Kopfbissstellung beißen könnte, so müsste mit zusätzlichen Kl III GZ und großzügigem ASR im Seitenzahnbereich eine ausgleichende orthodontische Therapie in KL I Okklusion mit Überstellen des Kreuzbisses möglich sein. Der Patientin gelang eine Kopfbisstellung durch Retraktion des UK recht mühelos.

Zur Absicherung dieses gewagten Vorgehens wurde eine Low-Dose DVT in dieser Position angefertigt. Auf der rechten Seite zeigt sich in parasagittal exzentrischer DVT Aufnahme (Abb. 7) eine Zentrallage des Condylus in der Fossa articularis (Abb. 8,9).

Aligner Therapie Beginn

Abb. 7 DVT rechte Seite parasagittalexzentrische Aufnahme in maximaler retraler Position. Der Kondylus ruht in zentraler Relation zur Fossa articularis.

progene Seitenzahnrelation

Abb. 8 1,1 mm progene Seitenzahnrelation im rechten Molarenbereich bei maximaler Retrusion des UK

Kopfbissstellung

Abb. 9 In Kopfbissstellung wird fast Neutralokkusion im Seitenzahnbereich erreicht.

Auf der linken Seite wies der Condylus eine gerade noch vertretbare dorsale Kompression mit verengtem Gelenkspalt auf (Abb. 10-12) . Diese Position konnte die Patientin ohne große Anstrengung und ohne Schmerzen für die gesamte Zeit der Röntgenaufnahme halten. Das berechtigte zur Annahme, dass eine Alignertherapie ohne chirurgische Intervention ein vertretbares Ergebnis erwarten lassen könnte. Interessanter Nebenbefund hierbei war, dass die auf dem OPT kaum sichtbare große kariöse Läsion des Zahnes 26 (Abb. 13,14) auf der Low Dose (zunächst übersehen) zu erkennen gab (Abb. 15) und auf der High-Resolution DVT-Aufnahme dann sehr deutlich zum Vorschein trat (Abb. 16). Intraoral konnte dieser Befund nicht erhoben werden.

Parasagittal-exzentrische Aufnahme

Abb. 10 Parasagittal-exzentrische Aufnahme ermöglicht die Darstellung der Position des Kiefergelenks + der Frontzah-Molarenrelation

dorsaler Kompression im Kiefergelenk

Abb. 11 Linke Seite in parasagittaler exzentrischer Aufnahme vor Behandlungsbeginn in maximal retraler Position mit deutlich dorsaler Kompression im Kiefergelenk

Unterkiefer Kopfbissstellung

Abb. 12 Auf der linken Seite erreicht der UK bei retraler Position mit Kopfbissstellung in der Front schon eine neutrale Relation

habitueller Okklusion DVT Aufnahme

Abb. 13 OPT vor Behhandlungsbeginn bei habitueller Okklusion

Die Caries profunda  Aufnahme

Abb. 14 OPT vor Behandlungsbeginn. Die Caries profunda an Zahn 26 ist kaum zu erkennen, im DVT in High-Resolution jedoch sehr deutlich sichtbar!

Low Resolution DVT

Abb. 15 CP im Low Resolution DVT

Aligner-Therapie Vorbereitung durch ClinCheck und ASR

(ASR = Approximale Schmelzreduktion)

Grundsätzlich empfehle ich, bei allen Patienten die ASR vor dem Beginn der Therapie und auch vor dem Scan durchzuführen. Dies braucht zwar ein wenig Übung, hat allerdings einige wesentliche Vorteile für den Behandlungsverlauf. Zum ersten kann erst hierdurch eine vollständige Planung mit vorgegebenem Ist-Wert erfolgen. Ein ständiges Einbestellen zur vom Techniker vorgeschriebenen ASR entfällt. Auch könnte dabei die ASR zu groß oder zu klein ausfallen, was dann entweder ein Nacharbeiten oder einen neuen ClinCheck (Case Refinement) erfordern würde und die Therapie in die Länge zieht. Es kann mit dem Gegebenen geplant werden.

Der entscheidende Vorteil liegt jedoch darin, dass bei konsequenter ASR alle wichtigen Zähne außer Kontakt stehen und somit die Bewegungen von Anfang an kollisionsfrei ablaufen. Kollisionen einzelner Zähne während der Therapie lassen den im ClinCheck erarbeiteten Bewegungsablauf vollkommen aus dem Ruder gleiten. Die Zähne verkanten sich. Es kommt nicht zu der erwünschten Bewegung. Die Aligner sitzen nicht mehr richtig. Als Folge muss sehr häufig ein eigentlich vermeidbares Case-Refinement dazwischengeschaltet werden oder der Patient geht 3-4 Behandlungsschritte zurück, bei gleichzeitigem Entkoppeln der Kollisionen durch zusätzliches ASR. Dies ist eine sehr wichtige Information! Bei jeder Behandlungskontrolle muss darauf geachtet werden. Kollisionen sind unbedingt zu vermeiden, denn sie führen zum Scheitern beim Umsetzen des ClinChecks in die Behandlung! Bei unserer Patientin wurde eine sehr moderate ASR durchgeführt (Abb. 17-23). Im UK 0,2-0,3 mm pro Zahnfläche und im OK nur 0,1-0,2 mm pro Zahnfläche. Laut Zachrisson währen auch 0,5 mm pro Approximalfläche möglich. Nach Empfehlung des Verfassers gilt jedoch die „Drittel-Regelung“:

  1. Lebensdrittel = 18-30 Lj 1/3 des individuell vorhandenen Zahnschmelzes.
  2. Lebensdrittel = 30-60 Lj 1/2 des Zahnschmelzes (Hälfte = mitten im Leben)
  3. Lebensdritte = 60-90 Lj 2/3 des vorhandenen Zahnschmelzes

Die Schmelzdicke kann sehr gut im High-Resolution DVT ermittelt werden. Bei Grenzfällen mit einem sehr hohen Platzbedarf oder großem orthodontischen Ausgleich kann eine zu Hilfe genommene Schmelzdickenmessung im DVT nützlich sein.

Caries Profunda

Abb. 16 Caries Profunda im High Resolution DVT

ASR

Abb. 17 ASR im Oberkiefer vor Behandlungsbeginn

ASR Behandlungsbeginn

Abb. 18 ASR im Unterkiefer vor Behandlungsbeginn

ASR rechts

Abb. 19 ASR rechts vor Behandlungsbeginn

ASR Unterkiefer

Abb. 20 ASR Unterkiefer-Front vor Behandlungsbeginn

ASR links

Abb. 21 ASR links vor Behandlungsbeginn

Approximalraum

Abb. 22 0,3 mm erweiterter Approximalraum. Das entspricht einer ASR von nur 0,15 mm pro Zahnfläche im Unterkiefer-Frontzahnbereich.

ASR Zahnfläche.

Abb. 23 0,6 mm Approximalraum im Prämolarenbereich entspricht einer ASR von 0,3 mm pro Zahnfläche.

Insgesamt wurden durch diese Maßnahmen im Unterkiefer 3 mm Distalbewegung und im Oberkiefer 2 mm Mesialbewegung erreicht. Der letzte noch fehlende mm zur Neutralokklusion ist zum einen durch eine mesiale Zwangsbissstellung der Kondylen und durch geringe orthopädische Wirkung der Kl III GZ erreicht worden. Die Patientin hatte ihre Gummizüge mit äußerster Konsequenz getragen.

Die Überlagerung von Ausgangssituation zur Endposition zeigt für den UK eine Retrusion der Front (Abb. 24) und für den OK eine Protrusion der Front (Abb. 25,26). Diese Bewegungsdarstellung muss jedoch um den Faktor der Gummizüge ergänz werden. Erst durch die intermaxillär wirkenden Kräfte schließen sich die Lücken im OK von distal nach mesial und im UK von mesial nach distal! Deshalb ist ein gezieltes einplanen dieser intermaxillären Kräfte von entscheidender Bedeutung.

ClinCheck-Überlagerung

Abb. 24 ClinCheck-Überlagerung vor und nach der Behandlung. Die angestrebte Distalbewegung im UK beträgt hier ca. 3 mm

ClinCheck mit Mesialbewegung

Abb. 25 Oberkiefer vor und nach Therapiebeginn im ClinCheck mit Mesialbewegung der einzelnen Zähne.

alveoläre Mesoalbewegung

Abb. 26 Oberkiefer-Überlagerung der Anfangs- und Endpositon im ClinCheck verdeutlicht die ca 2 mm angestrebte alveoläre Mesoalbewegung

ClinCheck Planung für eine Aligner-Therapie

Molarenbewegungen nach distal, sei es im OK oder im UK, sollten immer einzeln durchgeführt werden. Erst, wenn der zweite Molar an seinem endgültigen Platz steht, darf mit der Bewegung des ersten Molaren begonnen werden. Anders verhält sich dies bei der Mesialbewegung und bei der Bewegung der Prämolaren. Hier kann ab 50% der erreichten Bewegung mit dem nächstfolgenden Zahn gestartet werden. Diese wichtigen Einteilungen heißen Staging und sind nicht zu vernachlässigende wichtige Planungsschritte.

Mit einem gezielten Staging können Kollisionen vermieden werden. Bevor ein Zahn derotiert wird, werden die Nachbarzähne von diesem wegbewegt, um Platz zu schaffen. Erst danach sollte dann die Rotation erfolgen. Somit verringert man neben der ASR die Gefahr der Kollision und des Aussteigens der Aligner aus dem Zahnbogen.

Die Initiale Zahnbewegung im OK konzentrierte sich auf die Überstellung der OK-Front. Während des Überstellens kommt es zu einem Kopfbiss und damit zu einem Jiggling-Effekt, der mit einer erheblichen Zahnlockerung und der Gefahr des Frontzahnverlustes einhergeht. Ganz besonders in diesem Fall, war das ein sehr kritisches Stadium, hatten die OK-Frontzähne doch nur sehr kurze Wurzeln mit nur knappen 4-6 mm alveolärer Knochenverankerung. Im UK hingegen wurde sofort mit der Distalisation des Seitenzahnbereiches begonnen.

Für die Platzierung der Attachements hat sich die von mir in KFO-Intern 3-4 / 2009 beschriebene Pfeilspitzregel ganz besonders bewährt. Sie ist für mich auch heute noch die Leitschnur in der ClinCheck-Planung. Ganz kurz wiedergegeben mit folgenden Inhalt: es werden nur rechteckige Attachements mit horizontaler Neigung verwendet. Die Neigung entspricht einer Pfeilspitze und zeigt in die Richtung der angestrebten Bewegung. Die Rückseite, an der dann der Pfeilstab sitzen würde ist die eigentlich aktive Fläche, über die die notwendige Kraft auf den Zahn übertragen wird. Alle Attachements sitzen so weit wie möglich okklusal, da sie hier am besten einschnappen und auch die größte Kraftübertragung entfalten. Die Platzierung erfolgt immer in Bewegungsrichtung (Abb. 27-30).

Attachementposition

Abb. 27 ClinCheck in Startpositiion mit ausgeprägtem frontalen Kreuzbiss vor Korrektur der Attachementposition.

Attachementpositionierung

Abb. 28 ClinCheck in Startposition mit verbesserter Attachementpositionierung, um den OK-Frontzähnen einen möglichst guten Halt zu geben wurden diese horizontal entlang der Incisalkanten gesetzt.

Attachements

Abb. 29 ClinCheck in Startposition. Die Frontzahnattachements wurden noch korrigiert

mesiodistale Diskrepanz

Abb. 30 ClinCheck in Startposition. Besser wäre es gewesen, die mesiodistale Diskrepanz um den Wert des mesialen Zwangsbisses zu korrigieren und von Beginn an aus der Position einer neutralen Kondylenposition zu starten! gesetzt.

Grundregeln der Attachement-Platzierung in der Aligner-Behandlung
  • OK Frontzähne haben immer ein an der Schneidekante entlanglaufendes Attachement. Dies ist zum einen die unauffälligste Stelle, zum anderen wird damit der beste Snap-Effekt erreicht. Sowohl Torque als auch kontrollierte Intrusion werden damit sicher bewältigt (Abb. 31,32).
  • Prämlarenrotationen haben immer zwei Attachements, eines von bukkal und eines auf der Gegenseite von lingual.
  • Transversale Erweiterungen benötigen im Seitenzahnbereich immer horizontale, nach okklusal geneigte Attachements, Damit wird eine Bukkalkippung der zu dehnenden Zahnreihen vermieden.
  • Eckzähne benötigen aufgrund ihrer konisch zulaufenden Anatomie bei Rotationen immer ein zusätzliches linguales Attachement um ein Aussteigen und Intrusion als Ausweichbewegung zu vermeiden (Abb. 32).
  • Je weiter Okklusal, desto besser!
Vertikale Attachements

Abb. 31 Vertikale Attachements sind in der OK-Front nicht notwendig, da die Zahnbreite alleine ausreicht, um die Zähne zu rotieren. Sie müssen aber mit Attachements am abrutschen und intrudieren gehindert werden.

horizontaen Attachements

Abb. 32 Besser sind die horizontaen Attachements, welche am besten direkt an der Incisalkante entlang gesetzt werden. Dort fallen sie am wenigsten auf und haben den sichersten festen Snap-Effekt. gesetzt.

Va-Wert, was ist das?

Um sich eine bessere Vorstellung darüber machen zu können, wie die einzelnen Kräfte aufeinander wirken und welche Zahnbewegungen dann insbesondere in der mesiodistalen Richtung realistisch sind, habe ich für Sie ein nützliches Hilfsmittel entwickelt. Der VA-Wert oder Verankerungswert.

Alle Zahngruppen haben eine unterschiedliche typische Wurzelmorphologie und sitzen an ganz verschiedenen Stellen im Kiefer, mit ganz unterschiedlicher Knochenumgebung, Kompakta und Spongiosa. Hieraus ergibt sich der Wiederstand, der überwunden werden muss, bis ein Zahn anfängt, sich zu bewegen. Bei unterschwelligen Reizen passiert in der Regel erst mal gar nichts. Bei übersteigen des Maximums kommt es zum Absterben des Gewebes, es bildet sich eine knorpelige Hyalinisierungsschicht und der Zahn lässt sich dann die nächsten 6 Monate gar nicht mehr bewegen.

Bei gleicher Kraft und gleichem VA-Wert bewegen sich die Zähne gleichermaßen die gleiche Strecke aufeinander zu oder voneinander weg. Ist der VA Wert einer Zahngruppe doppelt so hoch wie der gegenläufigen Zahngruppe, so bewegen sich beide Gruppen, die eine allerdings nur zu einem Drittel. Bei einem VA vergleich von 80% zu 20% wird sich die eine Zahngruppe nur um 20 % bewegen, während die andere Gruppe 4/5 der Bewegung ausmacht. VA-Werte sind neben den von mir vorgeschlagenen Einteilungen auch noch patientenspezifisch individuell. Meine chinesische Patientin hat z. B.: für die OK Front insgesamt nur einen VA von 4 (je ein Punkt auch für die mittleren Schneidezähne, die ansonsten mit VA Wert von je 2 zu berechnen sind).

Folgende Verankerungswerte können verwendet werden:

  • Mittlere obere Schneidezähne je VA 2
  • Seitliche ober Inzisiven je VA 1
  • Unter Inzisiven je VA 1
  • Obere Eckzähne je VA 5
  • Untere Eckzähne je VA 4-5
  • Alle Prämolaren je VA 4
  • Ober unter Molaren je VA 6
  • Alle Kl II und KL III GZ einfach je VA 6

Ein Zahn der gerade erst vor kurzem bewegt wurde, verliert die ersten 6 Monate seine Verankerung um 50%, d.h. ein Sechsjahrmolar, der gerade distalisiert wurde, hat dann nur noch einen VA von 3 statt 6.

Beispiel:

Bewege ich z. B. nur einen einzelnen Molaren (z. B. 17) nach distal, so habe ich ein Verhältnis von 6 zu 22. Das heißt der 7er wird sich nach distal bewegen, wir haben aber eine reziproke Wirkung von ca. 27% auf den Zahnbogen und die Fronzahnstufe wird sich reziprok um ca. 15-20% vergrößern (Parabelwirkung!). Bei gleichzeitigem Einsatz von Kl 2 GZ haben wir ein Verhältnis von 6 zu 28 und rutschen mit 21,4% schon nahe an den unterschwelligen Bereich, der unterhalb von 20% beginnt. Zusätzliche doppelte Gummizüge in der Nacht (8Std!) geben einen weiteren Bonus von 2 = 6 zu 30. Jetzt bewegt sich der zweite Molar nach distal, ohne dass es eine reziproke Wirkung auf die Front hat, da wir ein ausgewogenes Verhältnis von 80% zu 20% haben und die Wirkung auf die Front nun als unterschwellig bezeichnet werden kann. Bewege ich allerdings nun zwei obere Molaren gleichzeitig nach distal, so habe ich ein VA Verhältnis von 12 zu 18, d.h. 33% zu 66%. Bei dieser Bewegung ist mit einem deutlichen Rezidiv von 1/3 reziproker Wirkung zu rechnen. Selbst mit einen Gummizug 24 Stunden habe ich mit 12 zu 24 immer noch nur 50% der reziproken Kraftaufteilung auf beide Bewegungsgruppen, sprich 25% Effektivkraft auf die vorderen Zähne. Und bei zwei Gummizügen ganztags kommen wir mit dem Verhältnis 12 zu 30 = 0,4 nicht um eine Nebenwirkung mit Verschiebung der Front nach anterior umhin. Deshalb sind Molarenbewegungen, will man keine Nebenwirkung riskieren, nur als singuläre Zahnbewegungen und mit zusätzlicher dauerhafter Unterstützung von Gummizügen sinnvoll. Ein VA von eins zu eins oder zehn zu zehn ist gleich 50%, d, h., die reziproken Kräfte teilen sich zu beiden Gruppen mit gleicher Kraftwirkung auf, da sie reziprok mit gleicher Kraft auf der einen Seite als auch auf der anderen Seite sind. Die Bewegungsrichtung ist dann gegenläufig zu gleichen Teilen, z.B. Molarengruppe 4 mm nach distal und Prämolaren-Frontgruppe auch zu 4 mm aber gegenläufig nach mesial. Der VA Wert ist ein nützliches Gedankenspiel und hilft insbesondere bei komplexen ClinCheck-Planungen sinnvolle Aufteilungen der Einzelzahnbewegungen, der Stages vorzunehmen. Dies mag helfen, böse Überraschungen bei der Therapie erleben zu müssen.