Hier zum ersten Teil: Neue Grenzen der Aligner-Therapie
Aligner Therapie Verlauf
Teil 2 der Veröffentlichung "Neue Grenzen der Aligner-Therapie" Prof. Dr. Polzar KKU
Der erste ClinCheck hatte 57 Aligner im OK und 78 Aligner im UK. Im OK wurden zunächst die OK-Frontzähne nach anterior bewegt, um sie möglichst schnell zu überstellen. Die Behandlungssequenzen wurden zunächst auf 14 Tage festgelegt. Im UK wurden die Molaren sequentiell distalisiert. Zur Verankerung wurden ständig Kl III Gummizüge getragen (Abb. 33). Bei Aligner 16, nach 8 Monaten waren die OK-Frontzähne schon überstellt! Ein knapper, noch nicht stabiler frontaler Überbiss, von ca. 1mm stellte sich ein (Abb. 34-36.) Während im ClinCheck erst ab ALG 63 dieses Stadium zu erwarten war (Abb. 37), stellte sich der erhoffte Überbiss mit Jumping the bite und ohne Jiggling-Effekt schon so früh ein. Dies lag sicherlich an der schon vor Behandlungsbeginn festgestellten mesialen Zwangsbisslage (die Patientin konnte ja im ersten DVT den UK ganze ca. 3 mm nach dorsal bewegen), aber auch an der konsequenten Compliance der Patientin selbst (Abb. 38,39).
Abb. 33 Wirkung der KL III Gummizüge bei Alg 30
Abb. 34 Nach 16 Alignern und Neutralokklusion im Seitenzahnbereich ist durch Distalisation des Zahnes 46 eine deutliche mesiale Lücke entstanden.
Abb. 35 Situation nach 16 Alignern und 8 Monaten, der frontale Kreuzbiss ist schon fast überstellt. Die Kl III Gummizüge und das Aufheben der mesialen Kondylenposition haben die sagittale Korrektur beschleunigt.
Abb. 36 Der Therapieverlauf nach 16 Alignern ist im Seitenzahnbereich bereits Neutralokklusion erreicht!
Zur Stärkung der Stoffwechsellage hatte ich der Patientin eine Supplementierung mit Vitamin D (auf 60 ng/ ml), Vit. K2/7 und einen Vitamin B-Komplex verordnet. Es stand ja sehr viel auf dem Spiel! Würde sie die oberen Frontzähne, welche ja kaum im Knochen verankert sind, verlieren, wäre die Behandlung mit bitteren Konsequenzen gescheitert. Sie müsste sich in diesen jungen Jahren dann mit einem prothetischen Zahnersatz zufriedengeben. Das wäre sicherlich keine gute Option oder gar Alternative.
Abb. 37 Erst bei Stage 63 ist im ClinCheck der frontale Kopfbiss überstellt.
Abb. 38 Frontalansicht des Gesichtes nach 8 Monaten und 16 Alignern. Das Verhältnis von Ober- zu Unterlippe wirkt nun harmonisch.
Abb. 39 Therapieverlauf nach 16 Alignern und frontalem Kopfbiss hat die Patientin im Molarenbereich bereits Neutralokklusion erreicht. Das Kinn wirkt nicht mehr prominent. Das Erschienungsbild des Gesichtes ist wesentlich attraktiver.
Nach 11 Monaten erreichte die Patientin Stage 30. Der frontale Kopfbiss hatte sich noch verbessert. Ein knapper frontaler Überbiss wurde erreicht (Abb. 40,41). Sehr überraschend war, dass die sequentielle Distalisierung der unteren Molaren sehr erfolgreich abgeschlossen war. Eine große Lücke klaffte nun zwischen 35 und 36 und 45 und 46 (Abb. 42). Für die Molarenmesialisierung im OK reichte es nun, dass die Patientin die Gummizüge nur noch nachts trug (Abb. 43) und die Aligner im OK wurden alle 10 Tage gewechselt. Im Unterkiefer wurden nun zur Distalisierung der UK Prämolaren die Aligner alle 5 Tage gewechselt. Eine DVT-Kontrolle zeigte die gleiche KG-Position, wie zu Beginn mit Retrusion des UK. Rechts in zentraler Lage und links mit mäßiger dorsaler Kompression. (Abb. 44-48)
Abb. 40 Nach 30 Aligner. Die Distalisation des Zahnes 46 war sehr erfolgreich in leichter Überkorrektur zeigt sich mesial von 26 eine deutliche Lücke.
Abb. 41 Nach 30 Aligner in 11 Monaten wurde ein knapper frontaler Überbiss der Zähne 11 und 21 erreicht. Es besteht jedoch noch Jiggling-Gefahr.
Abb. 42 Deutliche Lückenbildung mesial der ersten unteren Molaren durch Distalisation und Unterstützung der Kl III GZ
Abb. 43 Nach 30 Alg. Die Kl III GZ wurden nur noch nachts getragen, um den Druck auf die Oberkiefer-Front zu mindern. 13 ist aus dem Alingen ausgestiegen.
Abb. 44 DVT-Kontrolle zur Halbzeit. Die oberen Frontzähne stehen noch gut im Alveolarknochen.
Abb. 45 Nach Überstellen des frontalen Kreuzbisses steht das rechte Kiefergelenk in Zentralposition.
Abb. 46 ...auch das linke Kiefergelenk steht zentral in optimaler Position zur Fossa articularis.
Abb. 47 Fast zentrale Position des lateralen Teils des linken KG nach Überstellen des frontalen Kreuzbisses auf der linken Seite
Abb. 48 Zentrale Position des alt. Teils des rechten Kiefergelenks nach Überstellen des frontalen Kreuzbisses auf der rechten Seite
Das Gesicht der Patientin erscheint nun sehr harmonisch. Sowohl in der Portraitaufnahme, als auch in der Profilansicht hat sich das Gesicht wesentlich verbessert. Es muss nicht immer Chirurgie sein, um hier weitreichende Verschönerungen zu erreichen (Abb. 49-52)!
Abb. 49 Frontalansicht nach 30 Alignern in 11 Monaten. Die Oberlippe hat bei geschlossenem Mund seitlich an Volumen zugenommen. Beim Lächeln fehlt jedoch die muskuläre Unterstützung.
Abb. 50 Profilvergleich vor Therapie und während der Hälfte der Behandlung. Das Kinn wirkt jetzt zurückgesetzt und verleiht der Patientin ein wesentlich freundlicheres Aussehen.
Abb. 51 Vergleich vor Therapiebeginn und nach Überstellen des Kreuzbisses. Die Oberlippe wirkt nun entspanner und hat durch die Unterstützung der Frontzähne mehr Volumen.
Abb. 52 Ein ungezwungenes Lächeln erscheint nun möglich. Die Oberlippe wirkt jedoch noch zu schwach.
14 Monate, nach Stage 36/OK/46/UK zeigte sich ein Rezidiv! Die OK-Front kann nun nur noch im Kopfbiss zubeißen. Anscheinen war das frühzeitige Reduzieren der Kl III GZ doch nicht so gut, es fehlte die notwendige Verankerung (siehe oben VA-Wert-Tabelle!) zur Mesialisierung der OK-Molaren und zur Distalisierung der UK Prämolaren. Die Molarenrelation war jedoch stabil in Neutralposition (Abb. 53-58).
Abb. 53 Bei Alg36 OK, 46UK wird dann auch im OK alle 5 Tage gewechselt und die GZ werden wieder Tag und Nacht getragen. Es ist beabsichtigt, so schnell wie möglich wieder einen gesicherten frontalen Überbiss zu erreichen.
Abb. 54 Nach 14 Monaten und Stage 36 OK und 46 UK. Das Reduzieren der Tragezeit der GZ hat leider zu einem sagittalen Rezidiv geführt. Die mittleren Frontzähne stehen nun wieder im Kopfbiss.
Abb. 55 Nach 14 Monaten sind die seitlichen Frontzähne 12 und 42 den ClinCheck-Schritten leider nicht gefolgt. Ein CaseRefinement wird erforderlich.
Abb. 56 Während im Molarenbereich Neutralokklusion erreicht wurde ist der frontale Überbiss noch nicht gesichert.
Abb. 57 Profil nach 14 Monaten mit deutlicher ästhetischer Verbesserung.
Abb. 58 Erst bei Aligner 43 sollte mit dem Überstellen der Frontzähne begonnen werden. Die gute Mitarbeit der Patientin und der mesiale Zwangsbiss haben diesen Behandlungsschritt beschleunigt.
Kursänderung! Die KL III GZ wurden wieder für Tag und Nacht getragen und die Aligner wurden nun sowohl im OK als auch im UK alle 5 Tage gewechselt. Das Risiko des Frontzahnverlustes war nun sehr hoch, da in dieser Kopfbissstellung eine hohe Belastung auf die Front mit zusätzlichem Jiggling-Effekt auftrat. Aber wir durften weder Zahnwurzelmasse noch alveoläre Verankerung verlieren, wollten wir doch die Frontzähne unbedingt retten.
Nach 15 Monaten und einem Urlaubsaufenthalt mit Schnorcheln, war die Katastrophe nah. Die Patientin biss sich so fest in den Schnorchel, dass die oberen Frontzähne nun sehr locker wurden (Lockerungsgrad II-IIII) und sich schon nach anterior verselbstständigten. Ich musste mir was einfallen lassen! Aber was? Mit meinem Sohn, der sich gerade auch eine Alignertherapie unterzog, stellte ich ein Video her, welches ich der Patientin nach China in ihre Heimat schickte. Sie sollte den oberen Aligner in der labialen Front bis zur Inzisalkante frei schneiden um jegliche Extrusion oder Mesialbelastung durch die Therapie zu vermeiden. Es hat funktioniert. Mit dieser Idee wurden die Zähne vollkommen vom Kaudruck und Behandlungsverlauf abgekoppelt und konnten sich erholen (Abb. 59-61).
Abb. 59 Freigeschnittener Aligner ohne Zubiss. Die Frontzähne stehen weit vom Alignerrand entfernt.
Abb. 60 Freigeschnittener Aligner in der Front bei maximalem Zubiss. Die kritischen Frontzähne 12,11 stehen immer noch ausserhalb des Kontaktes des Aligners und werden somit vor belastenden Kräften geschützt.
Abb. 61 Nach 15 Monaten und Stage 43-49 haben sich die Frontzähne 12 und 11 gelockert. Um sie vollkammen aus einer weiteren Belastung zu nehmen, wurde der labiale Teil der Oberkiefer-Aligner freigeschnitten.
Abb. 62 Situation vor dem Case Refinement
Nach 55 Alignern im OK und 78 Alignern im UK war das erste Etappenziel erreicht. Neutralokklusion im Seitenzahnbereich, die oberen Frontzähne haben die Tortur überstanden und der frontale Überbiss ist gesichert. Jedoch waren wir mit der angestrebten Derotation der seitlichen Schneidezähne 12 und 32 nicht zufrieden (Abb. 55,65,66). Zusätzliches ASR im 1, Quadranten und ein Case Refinement waren hierfür notwendig (Abb. 62-64) und (Abb. 65-67).
Abb. 63 Situation vor dem Case Refinement frontal
Abb. 64 Situation vor dem Case Refinement (2)
Abb. 65 Nach 21 Monaten und 55 Alignern im OK und 78 Alignern im UK ist ein Case Refinement indiziert, um den Zahn 12 zu derotieren.
Abb. 66 Nach fast 2 Jahren wurde eine gesicherte Okklusion erreicht. Ein Case-Refinement erschient jedoch erforderlich, um die Feineinstellung der Zähne zu garantieren.
Abb. 67 Überkorrektur der Bisslage auf der linken Seite vor Case-Refinement
Weitere 21 Aligner im OK und 9 Aligner im UK sollten das Problem lösen (Abb. 68-77). Das Profil der Patientin hat sich bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin verbessert (Abb. 78).
Abb. 68 Rechte Seite vor Case-Refinement
Abb. 69 Frontalansicht vor Case-Refinement
Abb. 70 Linke Seite vor Case-Refinement
Abb. 71 OK vor Case-Refinement mit zusätzlichen 28 Alignern
Abb. 72 UK vor Case-Refinement mit weiteren 9 Alignern.
Abb. 73 Rechte Seite nach Case-Refinement
Abb. 74 Frontalansicht ClinCheck nach Case-Refinement
Abb. 75 Linke Seite nach Behandlungsabschluss im ClinCheck
Abb. 76 Oberkiefer nach Behandlungsabschluss
Abb. 77 Unterkiefer nach Case-Refinement
Abb. 78 Vor Case-Refinement: eine erhebliche Verbesserung des Profils wurde erreicht
Es folgt in Kürze Weichgewebemanagement