Der Twin-Block ist in der deutschen Kieferorthopädie noch gar nicht so bekannt, aber er zählt im Ausland zu dem funktionskieferorthopädischen Mittel, das am häufigsten angewendet wird. Dazu muss man wissen, dass gerade die frühe Behandlung mit herausnehmbaren Zahnspangen, die das Wachstum des Unterkiefers fördern oder die einen Kiefer auch richtig in der Breite einstellen ein sozusagen deutsches Phänomen sind. In der angloamerikanischen Welt wurde und wird häufig auf das Zähne ziehen oder das Überdehnen zurückgegriffen. Darauf wollen wir aber verzichten.
Bilder der herausnehmbaren Twin-Block Zahnspange
Twin-Block-Oberteil (grün), schiebt den Unterkiefer mit einer 70°-Rampe auf den Zähnen, Twin-Block-Unterteil (pink) nach vorne und bewirkt so einen Wachstumsschub
Twin-Block-Oberkiefer-Teil für Deckbisspatienten
Die Behandlungsmethoden, die wir uns bislang angesehen haben, werden vor allem in der sogenannten „Wechselgebissphase“ angewendet. In dieser Phase sind die hinteren Backenzähne bereits ausgebildet, ebenso die Frontzähne. Aber links und rechts an den Seiten sind noch die Milchzähne vorhanden. Während der Wechselgebissphase ist das Wachstumspotential des Kiefers am höchsten und kann der Kiefer am besten eingestellt werden. Das betrifft Mädchen im Alter von acht bis neun Jahren und Jungen von neun bis zehn Jahren. Allerdings wird diese zeitnahe Behandlung oft verbummelt. Es wird meist gewartet, bis alle Zähne vollständig vorhanden sind. Das ist aber eigentlich zu spät. Mit 14, 15 Jahren kommen die Patienten dann zu uns, haben eine Unterkieferrücklage und möchten keinen Zahn verlieren, möchten aber genauso wenig operiert werden. Dann muss häufig eine Spange getragen werden, und zwar permanent. Der Nachteil liegt jedoch auf der Hand: eine feste Spange kann leicht behindern. Und genau hier liegt der Vorteil des Twin-Blocks. Denn er hat an den Seiten auf den Kauflächen eine sogenannte „Bisssperrung“ mit einer 70 Grad schrägen Funktionsfläche. In diese Fläche kann sich der Unterkiefer nach vorn einhaken und wird so in die richtige Lage gezogen.
Patientenbeispiel mit Unterkieferrücklage
Patient mit Unterkieferrücklage vor Twin-Block-Behandlung. Eine große Frontzahnstufe erschwert die Atmung, den Mundschluß und verschafft ein fliehendes Kinn
Patient mit fliehendem Kinn ohne Apparatur
Patient mit Twin-Block im Mund, das Profil erscheint besser, aber dennoch in leichter Überkorrektur um einem Rezidiv vorzubeugen
Patient nach Twin-Block und Multibandbehandlung. Die große Frontzahnstufe wurde ohne Chirurgie in nur einem Jahr korrigiert
Der größte Vorteil betrifft das äußere Erscheinungsbild. Das ist gerade für Teenager natürlich besonders wichtig. Im vorderen Bereich, wo die Zunge gebraucht wird, ist beim Twin-Block alles frei. Was dazu führt, dass die Patienten mühelos mit dem Twin-Block sprechen können, als hätten sie gar keine Spange im Mund. Im Allgemeinen wird es kaum auffallen, dass überhaupt eine Spange getragen wird. In dem Alter, in dem der Twin-Block getragen wird, geht es ja eigentlich um ganz andere Dinge (lacht).
Patientenbeispiel mit Deckbiss
16 Jähriger Deckbisspatient vor Therapie mit Fehlverzahnung im Seitenzahnbereich
...nach 10 Monaten Twin-Block-Therapie mit richtiger Kieferlage, aber noch ohne korrekte Verzahnung
Invisalign®-Schienen-Therapie zur Einstellung der Verzahnung
...nach 20 Monaten Kombitherapie mit perfektem Biss
Bereits nach sieben Monaten sind wir schon so weit, dass wir den Kiefer dort haben, wo wir ihn haben wollen. Aber genauso schnell geht das Erreichte wieder verloren. Wir gehen deshalb etwas anders vor: Wir stellen den Twin-Block in einer leichten Überkompensation ein und lassen ihn drei bis fünf Monate länger tragen. Das bedeutet also eine Tragedauer von zehn, maximal zwölf Monaten. Das ist für Jugendliche in aller Regel eine sehr akzeptable Lösung.
Ein Jahr Twin-Block zieht gleich eine ganze Reihe von Vorteilen nach sich: keine Operation, besseres Atmen, ein schöneres Profil und ein besserer Biss.
Die Feineinstellung erfolgt dann ggf. mit Invisalign® oder einer festen Zahnspange.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Twin-Block bis maximal 3.500 Euro. Der Eigenanteil liegt bei rund 2.500 Euro. Das klingt erstmal nach viel Geld, jedoch muss man das Ergebnis immer vor Augen haben, das bei einer chirurgischen Behandlung mit viel größerem Aufwand verbunden ist.
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